Gesetzlich krankenversichert und trotzdem Privatpatient? Ja, das geht…

Privatpatient
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Rund 90% der Bevölkerung in Deutschland sind gesetzlich krankenversichert und seit Jahren wird sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik kontrovers über eine Zwei-Klassen-Medizin oder über eine sog. „Bürgerversicherung“ diskutiert. Statistische Erhebungen unterschiedlicher Lebenserwartungen von gesetzlich und privat versicherten Patienten werden ebenso ins Feld geführt wie unterschiedliche Wartezeiten im Behandlungszimmer oder die Wartefristen bei der Überweisung an einen Spezialisten.

Grundsätzlich gilt eine unterschiedliche Honorarhöhe in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der Privaten Krankenversicherung (PKV). So können Arztpraxen für die Behandlung privat Versicherter etwa das Zwei- bis Dreifache des Honorars für gesetzlich Versicherte abrechnen. Viele GKV-Versicherte haben zwar eine private Zusatzversicherung abgeschlossen, die insbesondere in den Bereichen Zahnersatz und Sehhilfen eine höhere Absicherung bietet, den reinen Status eines gesetzlich Versicherten allerdings nicht verändert.

Kaum bekannt und trotzdem möglich… Der vollumfängliche Status „Privatpatient“ als Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung

Seit geraumer Zeit hat jeder gesetzlich Versicherte, ob freiwillig oder pflichtversichert, die Möglichkeit, bei seiner Kasse anstelle des Sachleistungsprinzips das sog. Kostenerstattungs-prinzip zu wählen. Beim Kostenerstattungsprinzip wird die Behandlung des GKV-Patienten wie bei einem Privatpatienten (Selbstzahler) nach der amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), bei Zahnärzten (GOZ) abgerechnet.

Er bezahlt seine Rechnung direkt an den Arzt und lässt sich den erstattungsfähigen Anteil durch seine gesetzliche Krankenkasse erstatten. In diesem Augenblick entfällt für den behandelnden Arzt die vorgeschriebene Budgetierung der GKV und der Patient tritt als „Privat“ auf. Dies bedeutet i.d.R. kürzere Wartezeiten, schnellere Überweisungen an einen Facharzt oder eben auch die Inanspruchnahme kostspieligerer Behandlungen. Ebenfalls entfallen die vielfältigen Zuzahlungen.

Der Erstattungsbetrag der GKV orientiert sich in der Höhe nach in etwa dem des gängigen Sachleistungsprinzips, gekürzt um eine Verwaltungsgebühr von ca. 5-10%. Die verbleibenden Kosten der Arztrechnung begleicht der Patient nun über eine private Zusatzversicherung, welche die Restkosten je nach gewähltem Tarif voll oder in Teilen abdeckt.

Anstatt wie bisher über die Chipkarte „abgerechnet zu werden“, erhält der Versicherte somit eine Rechnung vom Arzt, die er folglich von zwei Seiten auf sein Girokonto erstattet bekommt und diese dann per Überweisung an den Arzt begleicht.

Wie kann ich das Kostenerstattungsprinzip bei meiner Kasse beantragen?

Die Wahl der Kostenerstattung muss, bevor Du Leistungen in Anspruch nehmen kannst, schriftlich bei deiner Kasse beantragt werden. Die Kostenerstattung ist für verschiedene Leistungsbereiche der gesetzlichen Krankenversicherung einzeln oder in Kombination wählbar. Es handelt sich hier um die Bereiche ambulant, stationär und dental.

An deine Wahl der Kostenerstattung bist du mindestens ein Quartal gebunden. Die Kostenerstattung kann i.d.R. jederzeit beendet werden, wenn mindestens ein Kalendervierteljahr an der Kostenerstattung teilgenommen wurde.

Erstattet werden Behandlungen durch einen Arzt mit Kassenzulassung, außer wenn die GKV einer anderweitigen Behandlung zugestimmt hat oder aber ein leistungsstarker privater Zusatztarif auch die Kosten von Ärzten ohne Kassenzulassung übernimmt.

Was muss ich bei der Wahl der Zusatzversicherung beachten?

In Deutschland ist die Zahl der privaten Krankenversicherungen, die eine entsprechende Zusatzversicherung anbieten, mehr als überschaubar. Bei den wenigen Anbietern kommen dann noch Leistungsunterschiede ins Spiel. Zu beachten sind z.B.  Erstattungshöchstgrenzen, unterschiedliche Leistungen beim Heilpraktiker, bei Heil-u. Hilfsmitteln oder der Psychotherapie. Leistet der Versicherer auch ohne Vorleistung der gesetzlichen Krankenversicherung? Somit sollte bei der Auswahl eine fachkundige, unterstützende Beratung hinzugezogen werden.

Bleibe ich trotzdem dauerhaft Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung und für wen ist dieses Modell interessant?

Das Kostenerstattungsprinzip ändert zwar den Status beim Arzt, nicht aber den Status eines Pflicht- oder freiwillig Versicherten in der GKV. Dies eröffnet die Möglichkeit, sich die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der späteren gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner zu erhalten bzw. auszubauen. Schließlich richtet sich die Beitragsberechnung bei pflichtversicherten Rentnern nicht nach Kapitaleinkünften oder Miet- bzw. Pachteinnahmen.

Weiterhin kannst du Mitglied der GKV bleiben, obwohl du sie theoretisch aufgrund Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze verlassen könntest, um dich komplett privat zu versichern. Das bietet den Vorteil, dass z.B. die kostenlose Familienversicherung für Kinder und Ehepartner erhalten bleibt.

Du bist selbstständig oder stehst vor der Gründung, möchtest aber in der gesetzlichen Krankenkasse bleiben, denn die privaten Kassenbeiträge würden zu teuer? Auch dann ist das Kostenerstattungsprinzip eine Überlegung wert und eröffnet die Möglichkeit, sich „auf Probe“ privat zu versichern. Die Rückkehr zum bisherigen Sachleistungsprinzip in Verbindung mit der Kündigung der Zusatzversicherung bleibt ja jederzeit bestehen.

Eine klare Zielgruppe für dieses Versicherungsmodell sind auch Kinder, denen die Eltern die bestmöglichste medizinische Versorgung bieten möchten.

Fazit: Mit etwas mehr Aufwand hin zu einer umfangreicheren medizinischen Versorgung

Das Kostenerstattungsprinzip bietet demjenigen, der bereit ist, sich selber um die Bezahlung seiner Arztrechnungen (und die damit verbundene bessere Kontrolle und Übersicht der abgerechneten Leistungen) zu kümmern, den Status eines Privatpatienten, ohne dabei seine gesetzliche Kasse verlassen zu müssen. Die Wahl einer entsprechenden Zusatzversicherung sollte sorgfältig und mit Hilfe eines Fachmannes durchgeführt werden, um spätere Versorgungslücken oder Einschränkungen im „Kleingedruckten“ zu vermeiden. Weiterhin sind Wartezeiten zu beachten.

Es sollte grundsätzlich kein Kostenerstattungsprinzip ohne Restkostenversicherung vereinbart werden – es besteht ansonsten die Gefahr auf erheblichen Kosten sitzen zu bleiben. Für denjenigen, dem das Kostenerstattungsprinzip zu aufwändig in Bezug auf den Verwaltungsaufwand erscheint, bietet eine „Schwere-Krankheiten-Versicherung“ eine Alternative, um bei Eintritt von fest definierten erheblichen Krankheitsbildern Geld für Behandlungen durch einen medizinischen Spezialisten zu erhalten.

Gastbeitrag: Sascha Liedhegener

Weitere Informationen findet ihr unter folgendem Link: www.versali.de

*Der Inhalt dieses Gastbeitrages beinhaltet meinen persönlichen Wissensstand, bezieht sich auf den räumlichen Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland und stellt keinerlei (Rechts-)Beratung dar.*


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Gastautor
Über Sascha Liedhegener 2 Artikel
Sascha Liedhegener ist selbstständiger Versicherungsmakler und wohnt in Stuhr bei Bremen. Er wurde 1967 geboren und absolvierte im Jahr 1988 das Abitur. Anschließend entschloss er sich einer 4-jährigen Laufbahn bei der Bundeswehr, um dort als Personaldienstleister im Stabsdienst tätig zu sein. Im Jahr 1992 begann er eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann und beendete diese 1995 erfolgreich vor der Handelskammer Bremen. Er verblieb noch 3 Jahre im Unternehmen und entschied sich dann 1998, in die Selbstständigkeit zu wechseln. Seit diesem Zeitpunkt ist er ununterbrochen als sogenannter freier Versicherungsmakler tätig und kann für seine Mandanten unabhängig aus der Angebotspalette fast aller Versicherungsgesellschaften auswählen. Sascha Liedhegener berät seine Klienten in allen Bereichen der privaten Vorsorge und Absicherung und versteht seine Tätigkeit als begleitender Berater und Lotse in Versicherungsangelegenheiten. In Abgrenzung zum sog. Versicherungsvertreter vertritt er die Interessen seiner Kunden gegenüber den jeweiligen Versicherungsgesellschaften.

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