Borderline Co-Abhängigkeit – Interview mit Suzana Pavic

Borderline-Co-Abhängigkeit
@ Pixabay / geralt

Hallo Suzana. Bitte stelle dich unseren Lesern vor.

Suzana Pavic: Ich arbeite als Heilpraktikerin für Psychotherapie und als psychologische Beraterin mit Schwerpunkt Borderline, hier insbesondere auf der Beziehungsdynamik, die dahinter steckt. Ich berate Betroffene und Angehörige, und zwar in ihrer jeweils eigenen und ganz besonderen Lebenssituation. Mit pauschalen Empfehlungen der Art „Nimm die Beine in die Hand und renne!“ ist niemandem geholfen. Ich versuche die ganze Dynamik, in der zwei Personen sich befinden, zu durchleuchten. Damit begleite ich Menschen und unterstütze sie dabei, auf eigene Kompetenzen zuzugreifen und/oder diese durch verschiedene individuell gestaltete Ansätze freizusetzen. Mit diesen Kompetenzen können sie dann eigenständig und eigenverantwortlich Lösungsmöglichkeiten für ihre konkrete Situation finden.

Wie würdest du die Krankheit „Borderline“ in wenigen Sätzen erklären?

Suzana Pavic: Borderline ist eine Persönlichkeitsstörung. Es handelt sich um eine sehr komplexe emotionale Störung, bei der bestimmte Bereiche der Gefühle beeinträchtigt sind und in Folge dessen auch Bereiche des Denkens und des Handelns. Das äußert sich durch unverständliches und paradoxes Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen, sowie in einem ambivalenten Verhältnis zu sich selbst.

Außenstehende sehen zunächst einmal das Verhalten eines Borderliners. Das Verhalten ist aber nur das „Endprodukt“ von vielen intrapsychischen Prozessen. Entscheidungsfindung und Handeln ist immer auch emotional geprägt. Bei Menschen mit Borderline wird beides geprägt von borderline-spezifischen emotionalen Reaktionen, die häufig sehr intensiv sind. Auch kleine Reize führen bereits zu intensiven emotionalen Reaktionen.

Daher fühlen sich Menschen mit einer Borderline Störung oft nicht verstanden. Auf der anderen Seite können sie auch nicht wahrnehmen, wie ihr Verhalten auf andere Menschen wirkt, und daher auch oft die Reaktionen ihres Partners darauf nicht verstehen. Entsprechend nimmt auch ein Partner eines Borderliners das Verhalten als irrational und unverständlich wahr, und fühlt sich überdies oftmals genauso unverstanden.

In dem Gastartikel: Borderline Beziehung: Spaltung (Idealisierung / Abwertung), welchen du vor längerer Zeit für unser Portal geschrieben hast, zeigst du uns ein Beispiel, wie eine Borderline-Beziehung am Anfang ablaufen kann. Wenn man sich eventuell in einer Borderline-Beziehung befindet, was kann man als Partner tun?

Suzana Pavic: (1) Die erste und wichtigste Aufgabe für einen Partner in einer Beziehung mit einem Borderliner ist, dass man in sich selbst erkennt, welche Bedürfnisse man selbst in sich trägt und mit diesen Bedürfnissen dann auf eine verantwortungsvolle und wertschätzende Art und Weise umgeht. Das begegnet in einer Beziehung mit einem Borderliner besonderen Herausforderungen:

Der Anfang einer solchen Beziehung ist meistens sehr intensiv. Ein Borderliner fühlt sehr starke Emotionen und fokussiert diese auf den Partner, indem er den Partner idealisiert. Dieser wiederum fühlt sich in so einer Verbindung anfänglich wie im „siebten Himmel“, weil er – womöglich erstmals in einem Leben – das Gefühl erhält, absolut bedingungslos so angenommen zu werden, wie er wirklich ist. So empfindet er eine Art der perfekten Verbindung, die oftmals durch leidenschaftlichen, intensiven und in seiner Tiefe noch nicht erlebten Sex gefestigt wird. So entsteht eine intensive Bindung auf einer tieferen Ebene.

Mit Liebe hat diese Bindung nicht viel zu tun, gleichwohl wird sie meistens mit Liebe verwechselt. Die Anfangsphase einer solchen Verbindung erfüllt das urmenschlichste Bedürfnis, so angenommen zu werden, wie man ist. Angewiesen ist man als Mensch auf dieses bedingungslose Angenommenwerden in der Phase, in welcher man gänzlich abhängig ist von den Eltern, etwa als Kind. Im Laufe des Erwachsenwerdens gelingt es den meisten Menschen, Kompetenzen zu entwickeln, dass dieses Bedürfnis nicht mehr diese existentielle Bedeutung hat, sie erlangen einen Grad an emotionaler Autarkie. Das zeigt, dass auch Menschen ohne Borderline Störung, abgespalten von einem Großteil ihrer Gefühle sind und ihr Leben im Wesentlichen aus der Konditionierung heraus leben – wahrlich ohne, sich dessen bewusst zu sein.

Diesen Grad an emotionaler Autarkie erreichen Borderliner allenfalls zeitweise; diese tiefe Sehnsucht ist bei ihnen in ungeminderter Heftigkeit und mit dieser existentiellen Bedeutung vorhanden. Ich würde das als Sehnsucht nach Symbiose bezeichnen. Entsprechend gelingt es ihnen auch, genau diese Sehnsucht in einem Partner zu wecken. Menschen, die selbst Schäden in der sensiblen Bindungsphase der ersten Lebensjahre davongetragen haben, sind hierfür besonders anfällig, auch wenn sie nach außen noch so autark sind, da das Bedürfnis damals nicht gestillt wurde.

Dieses Gefühl der tiefen innigen Verbindung ist keine Liebe. Es ist ein Bedürfnis nach einer Verschmelzung, es geht um Nehmen, nicht um Geben. Entsprechend haben auch Gefühle wie “ohne den Partner kann ich nicht leben” nichts mit Liebe zu tun. Wenn wir das Gefühl haben, dass uns etwas fehlt und wir glauben, dass wir es nur von einer anderen Person bekommen können, ist es keine Liebe, sondern Bedürftigkeit.

Die Crux an der Beziehung mit dem Borderliner ist, dass eine innige Verbindung in der beschriebenen Art von ihm nicht dauerhaft geleistet werden kann. Hier wird ein Bedürfnis geweckt, was nicht dauerhaft, sondern allenfalls intermittierend erfüllt werden kann. Denn Teil der Grundlage dieser Bindung ist die Idealisierung des Partners. Ohne diese Idealisierung kommt es nicht zu diesem symbiotischen Zustand. Durch die intermittierende Bedürfnisbefriedigung verschärft sich auch das Gefühl von „ohne den Partner kann ich nicht leben“.

Gleichwohl gibt es – aufgrund der sonstigen Persönlichkeitszüge der Menschen, um die es hier geht, durchaus auch Bindungskomponenten, die mit Liebe zu tun haben. Wir sprechen hier nicht nur von einer Persönlichkeitsstörung, sondern wir sprechen von Individuen, die auf verschiedenen Ebenen miteinander interagieren.

(2) Um die ganze Komplexität einer solchen Bindung und der daraus resultierenden Dynamiken begreifen zu können, muss man schon wegen der borderline-spezifischen Prägungen aus der linear- kausalen Sichtweise „aussteigen“. Aus diesem Grund ist die Antwort auf die Frage, was man als Partner tun kann, pauschal nicht zu beantworten. Wenn man versucht, die Vorgänge logisch zu erfassen, führt das nur zur Verwirrung.

Beispiel: Eine Borderlinerin redet mit ihrem Partner ganz normal und auf einmal – für den Partner aus keinem ersichtlichen Grund – erscheint die Borderlinerin eiskalt und nicht mehr greifbar.

Nach außen scheint das Verhalten sehr irrational und grundlos zu sein. Es fehlt ein Puzzlestück in der linear-kausalen Sichtweise, um das Verhalten verständlich erscheinen zu lassen. Theoretisch kann man nach dem versteckten Puzzleteil fragen, nämlich danach, was in dem Moment bei der Borderlinerin geschehen ist. In der Praxis wird das wegen der raschen zeitlichen Abfolge nicht möglich sein. Deshalb sollte man aus der linear-kausalen Sichtweise austreten, und den Borderliner in seinem Gefühl ernst nehmen, bevor man dann rational Erklärungen suchen kann.
Im Beispielsfall hat der Partner etwas gesagt, was bei der Borderlinerin anders ankommen ist. Eine Emotion, die mit dem Heute nichts zu tun hat, wurde angetriggert. Es kann ein Wort sein, das an irgendeine Verletzung aus dem Damals „erinnert“ und in dem „Verletzungsnetzwerk“ landet. Abwehrmechanismen fahren sofort und unvermittelt hoch, das rationale Begreifen ist noch gar nicht aktiviert, aber die Borderlinerin verbindet die Worte bereits mit Verletzung und alles an Schmerz, was damit zu tun hat, wird automatisch aktiviert und an die Oberfläche geholt. In meiner Praxis habe ich oft gehört, dass der Borderliner die Ereignisse, die sich als Verletzung gespeichert haben, in dem Moment hervorholt: „…und damals hast du das und dies gesagt …“. Ein Wort oder Satz kann auf die Art und Weise eine Lawine auslösen und um den heute nicht veranlassten aber damals realen Schmerz nicht spüren zu müssen, und deshalb fahren die früh erlernte Schutzmechanismen hoch. In den Moment bedient sich der Borderliner der Archaischen Systeme der Stressregulation. Diese Systeme unterstützen Verhaltensoptionen in Notfallsituationen: Kampf, Flucht, Verstecken oder Totstellen („Fight, Flight, Freezing“). Der Partner wird verzerrt wahrgenommen und als „Gefahr“ erlebt. Meistens kommt es in solchen Momenten zum Beziehungsabbruch. Der Partner versteht nicht, was gerade passiert, der Borderliner steht unter der großen Anspannung und ist nicht mehr in der Lage, auf Basis der aktuellen Situation logisch zu denken und zu erklären, was in ihm vorgeht. Für beide sind solche Situationen äußerst anstrengend, schmerzhaft, und beide sind in diesen Momenten zutiefst hilflos und fühlen sich vom anderen unverstanden.

Hier wäre es eine Möglichkeit, dass der Partner sich sagt „Ok, mein Borderliner befindet sich wieder in einer emotionalen Spirale, ich weiß nicht, was sie ausgelöst hat, aber ich beziehe diese Emotionen nicht auf mich.

(3) Es ist schwer, pauschal zu sagen, was man als Partner in so einer Beziehung dann konkret machen kann. Einfach ruhig bleiben, oder den Borderliner in den Arm nehmen, aus dem Feld gehen, bekannte Trigger vermeiden, es gibt zahlreiche Möglichkeiten. Borderliner sind genauso individuell wie ihre jeweiligen Partner. Jede Beziehung ist anders und wenn man mit einem Borderliner eine Beziehung führen will, ist es wichtig, die Mechanismen zu begreifen und dadurch nicht alles persönlich zu nehmen. Wichtig ist es auch, sich nicht zu verlieren, indem man sich dem Partner versucht, anzupassen, sowie innere Stabilität und Integrität zu behalten, was nicht immer einfach ist.

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Immer öfter ist in den Medien der Begriff „Borderliner Co-Abhängigkeit“ zu finden. Was ist darunter zu verstehen?

Suzana Pavic: Ich erlebe oft, dass Menschen sagen: „Ich bin Co-abhängig“ oder „Ich habe ein Helfersyndrom“. Diese Menschen treffen eine Eigendiagnose. Das beschränkt sich nicht nur auf Partner von diagnostizierten Borderlinern. Das betrifft auch Partner, die die ohne vorgehende Diagnose aufgrund irgendwelcher Webseiten oder Foren davon ausgehen, dass sie mit einem Borderliner zusammen sind.

Eine Eigendiagnose mit diesen Begrifflichkeiten von Co-Abhängigkeit und Helfersyndrom wird den komplexen Beziehungsmustern zwischen zwei Individuen nicht gerecht. Meiner Meinung nach handelt es um einen zu kurz gegriffenen Versuch, seine Rolle in der Beziehung zu definieren. Das Ganze ist deutlich komplexer. Es ist natürlich einfacher, sich als Co-abhängig zu bezeichnen und die zugehörigen schematischen Beziehungsmuster als gegeben hinzunehmen, als sich der konkreten Beziehungssituation zu stellen.

Diese Menschen sehen oftmals ihre Eigenanteile in der komplexen Beziehungsdynamik nicht. Schon allein dadurch, dass sie ihren Partner als gewissermaßen standardisierten Borderliner wahrnehmen, finden sie eine Erklärung für die extremen Verhaltensweisen ihres Gegenübers. Das mag zwar menschlich verständlich sein, weil sie ja diesen Verhaltensweisen gegenüber auch oftmals hilflos gegenüberstehen. Sie vermeiden es aber damit, ihre Eigenanteile zu beleuchten. Dadurch begrenzen sie sich in ihren Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Sie akzeptieren einen Zustand der Co-Abhängigkeit als gegeben, auf den sie Einfluss nehmen könnten, wenn sie ihre Eigenanteile erkennen und sinnvoll damit umgehen würden. Kompetenzen sind auch hier das Stichwort.

Ich habe viele Menschen begleiten dürfen und jeder sucht nach einer einfachen Erklärung oder nach Mustern, die das, was passiert, rechtfertigen. Eine einfache Erklärung gibt es nicht. Die so genannte „Lösung“ ist individuell, nicht nur, weil wir unterschiedliche Beziehungspartner haben, sondern weil wir alle bedürftige Anteile in uns haben und unterschiedliche Beziehungsgestaltungsmuster, die einem meistens nicht bewusst sind. So lange wir diese bedürftigen Anteile nicht erkennen, identifizieren und sorgsam damit umgehen, können wir auch unsere Kompetenzen nicht aktivieren, die wir doch auch in uns haben. Wenn wir eins sind mit den bedürftigen Anteilen, können wir nicht erwachsen handeln. Ich habe bei diesem Bild immer das verletzte, traurige, emotional vernachlässigte Kind im Sinn; das innere Kind. Die Partnerschaft muss dann dafür herhalten, die Sehnsüchte des inneren Kindes zu stillen. Man fühlt sich dann wirklich wie ein Kind; hilflos; alleingelassen und abhängig. Man wird regressiv. Wie alle Abwehrmechanismen läuft Regression – in Bezug auf das verursachende Problem – überwiegend unbewusst ab und dient der Stabilisierung des psychischen Gleichgewichts. In diesem Sinne ist sie nicht dysfunktional, sondern Teil der Fähigkeit zur Selbststeuerung. Es ist aber nur ein Teil von uns, der sich so fühlt und diese ganzen Prozesse nur mit einer Bezeichnung zu etikettieren und dann damit zu leben, scheint mir nicht hilfreich zu sein, eher kontraproduktiv. Das ist der Hauptgrund aus dem ich mich von solchen pauschalen Bezeichnungen abgrenze.

Das innere Kind ist also unsere instinktive Seite, die für die Gefühle, „die aus dem Bauch kommen“ steht. Daher ist es ein Symbol für unser Unbewusstes. In unserem inneren Kind sind alle die Gefühle, Erinnerung und Erfahrungen aus der Kindheit gespeichert. Im bewussten Zustand haben wir darauf selten einen Zugriff, da wir ihm so wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Allerdings eröffnet eine Rückerinnerung an diese Gefühle, Ereignisse und Erfahrungen eine Bewusstwerdung und somit die Möglichkeit, diese alten Verletzungen aufzuarbeiten und loszulassen, damit wir wieder frei und in Freude leben können.

Kann es passieren, dass ein Co-Abhängiger genau so wird wie der Borderliner selbst?

Suzana Pavic: Genau so kann man sicher nicht durch eine Beziehung werden. Aber durch die intensive Dynamik und das Hin und Her einer Beziehung mit einem Borderliner kann es durchaus geschehen, dass man sich selbst verwirrt und gleichermaßen ambivalent wieder findet. Der Partner versucht das auf rationaler Ebene Unbegreifliche rein rational zu verstehen und scheitert. Typisch ist der Zwiespalt: „Ich weiß, dass sie/er mir nicht gut tut, aber ich kann mich nicht lösen. Es geht nicht. Der Kopf sagt zwar ‘geh!’ aber das Herz ist voller Sehnsucht.“ So kann man sehen, dass es auch im Partner eines Borderliners mehrere Teile gibt, die „streiten“. Das führt dazu, dass eine Entscheidung kaum möglich ist, und man sich immer wieder in der Situation findet, dass man hofft, dass alles gut wird. Das ist Ambivalenz. Solche Aussagen zeigen uns, dass es mehrere Anteile in uns gibt, die in solchen Momenten nicht im Einklang sind. Es ist aber völlig normal, dass nicht zu jedem Zeitpunkt alle Anteile in einem Menschen harmonieren, das hat für sich genommen keinerlei Krankheitswert.

Gibt es Symptome bzw. ein Muster, die der Co-Abhängige aufweist?

Suzana Pavic: Wie oben schon ausgeführt, man kann es nicht pauschal beantworten, weil Borderliner, genauso wie Partner individuell unterschiedlich sind. Allgemein gesprochen finden sich hier zwei bedürftige Menschen, die in ihren Dispositionen und Bedürftigkeit wie Schlüssel und Schloss zusammenpassen. Das nennt man dann auch Kollusion (Bei Zweierbeziehungen hat Jürg Willi den Begriff Kollusion für Fälle geprägt, in denen die neurotischen Dispositionen beider Partner wie Schlüssel und Schloss zusammenpassen. In diesen Fällen sind bestimmte zentrale Konflikte aus früheren seelischen Entwicklungsphasen beider Partner in ihrer Persönlichkeit nicht verarbeitet.) Eine derartige Kollusion ist immer eine Verbindung auf einer tiefen Ebene, auf der auch emotionale Defizite zu finden sind. Jeder hat eine andere Geschichte und ein anderes inneres System. Zwei bedürftige Menschen kommen zusammen und wenn sie Zuwendung geben, um Zuwendung zu erhalten, so öffnen sie den Weg in die Bedürfnis-Falle. Das Resultat ist Eifersucht und Anhaftung und daraus geht Leid hervor.

Ich betone es noch einmal: Ich grenze mich von pauschalen Aussagen zu Symptomen und Mustern ab, weil jeder Mensch individuell fühlt, handelt und denkt, ganz gleich, ob Borderliner oder nicht. Zwei Menschen, d.h. zwei Muster treffen aufeinander und erst hieraus ergeben sich die Punkte, die man im Einzelfall unter die Lupe nehmen kann.

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Wie kann man sich am besten als Co-Abhängiger von seinem Borderline Partner abgrenzen?

Suzana Pavic: Persönliche Grenzen sind vollkommen unterschiedlich. Unsere persönlichen Grenzen haben vor allem etwas mit unseren Werten, Überzeugungen, Einstellungen und Bedürfnissen zu tun. Grenzen setzen heißt, zu seinen eigenen Interessen und Bedürfnissen zu stehen.
Zunächst sollte man die eigenen Grenzen erkennen. Die meisten unserer persönlichen Grenzen sind uns gar nicht bewusst. Sie entstehen durch unterschiedliche Ereignisse zu ganz unterschiedlichen Zeiten und wir spüren sie eigentlich nur dann, wenn sie überschritten werden.

Grenzen zu setzen in der Partnerschaft, ist ein ständiger Prozess, in dem das Paar immer wieder seine jeweiligen Grenzen aushandelt und neu definiert. In einer Borderline Beziehung ist es etwas schwieriger, da der Borderliner diese ständig zu überschreiten neigt. Wenn wir diese Grenzen nicht ziehen, sie aber überschritten werden, dann wirken die Gefühle, die wir dadurch unterdrücken, in uns fort und belasten die Beziehung.

In einer Borderline-Beziehung ist das Problem weniger das Erkennen der eigenen Grenzen. Das Problem liegt eher im Ziehen der Grenze. Immer wieder spürt man, dass dieses Ziehen der Grenze fast unmöglich ist. Und obwohl man die Grenze spürt, und auch bemerkt, dass sie überschritten wird, fragt man sich: „Wieso kann ich es ihr/ihm nicht deutlich sagen?“ In einer solchen Situation muss man hinterfragen, wieso man die Grenzen, die man schon erkennt (sonst hätte man nicht bemerkt, dass sie überschritten worden sind) nicht konsequent setzen kann. Man sollte sich fragen, was einen daran hindert, die Grenzen so deutlich zu kommunizieren, wie man es in jeder anderen Situation ohne Probleme machen könnte. In der Regel ist es eine Angst, die dahinter steckt und einen am Setzen der Grenze hindert.

Wenn man als Co-Abhängiger mit der Beziehung überfordert ist und der Partner keine Psychotherapie machen möchte, macht es trotzdem Sinn, alleine eine Psychotherapie anzutreten?

Suzana Pavic: Ich höre es oft „Wenn nur mein Borderline Partner eine Therapie machen würde, wäre alles ok“. Das ist ein Trugschluss. Denn damit wird die ganze Verantwortung auf den Borderline Partner übertragen im Sinne: Wenn Du was veränderst, wird alles gut. So einfach ist es nicht.

Wenn ein Partner überfordert ist, muss er für sich selbst die Entscheidungen treffen. Man kann immer nur für sich selbst Entscheidungen fällen.

Es gibt Menschen die sagen: Ich möchte etwas ändern und ich mache jetzt für mich Therapie, um alles zu verarbeiten, zu begreifen und an meinen Defiziten zu arbeiten. Das allein wird ihm weiterhelfen, auch wenn es nicht unbedingt zu einer glücklichen Beziehung führen wird.

Außerdem gibt es die, die erwarten, dass ihr Borderliner an sich arbeitet, und dann glauben, dass dann alles besser wird. Mit dieser Erwartungshaltung ist nichts gewonnen. Denn sie können keine Entscheidungen für ihren Borderliner treffen und vor allem auch nicht, an seiner Stelle Therapiefortschritte erzielen.

Es gibt Paare, die gemeinsam die Bereitschaft zeigen, die Beziehung zu führen und gleichzeitig gemeinsam und jeder für sich mit therapeutischer Hilfe daran zu arbeiten. Wenn es ihnen gelingt, auf diese Weise ein tieferes Verständnis füreinander zu entwickeln und für beide akzeptable Umgangsformen zu erarbeiten, dann halten sie den Schlüssel zu einer gut funktionierenden Beziehung in der Hand.

In deinem ersten Buch „Am Ende bleibt der Schmerz und die Frage WARUM: Dynamik einer Borderline-Beziehung“, erklärst du anhand vieler Beispiele, wie eine Borderline Beziehung im Alltag aussieht. In deinem Buch habe ich sehr deutlich herauslesen können, wie der Borderliner und der Partner sich fühlen und wie sie denken. Du planst, ein zweites Buch bald zu veröffentlichen. Was wird der Unterschied zum ersten Buch sein?

Suzana Pavic: Im zweiten Buch wird eine Beziehung aus zwei Perspektiven beschrieben, in der beide Partner darüber reflektieren, was in belastenden Situationen in ihnen vor sich geht. Somit wird das Thema Borderline und Beziehung transparenter dargestellt, sowie die genaueren Abläufe von Abwehrmechanismen.

Intention dieses Buches ist es, die unbewussten und vorbewussten Prozesse bewusst zu machen, und hierdurch Borderlinern und deren Partnern Lösungs- und Gestaltungsstrategien aufzuzeigen.

Danke für das Interview.

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Über Der Philosoph 2016 Artikel
Darko Djurin (Der Philosoph) wurde am 04.05.1985 in Wien geboren. Er ist diplomierter Medienfachmann und Online Social Media Manager. Seit Jahren beschäftigt er sich mit Musik Produktion, Visual Effects, Logo- & Webdesign, Portrait und Architekturfotografie und SEO – Suchmaschinenoptimierung. Seine Leidenschaft zum bloggen entdeckte er vor 15 Jahren. Der neue Mann ist nicht nur ein Projekt für ihn vielmehr sieht er es als seine Berufung seine Denkweise und Meinung auf diese Art kundzutun.

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